Was bedeutet Cangaço? Cangaço war Banditentum und Kriminalität, die vom 19. bis Mitte des 20. Jahrhunderts im Nordosten Brasiliens auftraten.
Man nannte die Mitglieder Cangaçeiros. Sie zogen in Gruppen umher, überfielen Städte und plünderten. Viele Experten sehen Cangaço als Verteidigung der Bauern im trockenen Hinterland gegen soziale
Probleme und den ineffizienten Staat. Ein bekannter Anführer war Virgulino Ferreira da Silva, genannt Lampião. Der Begriff Cangaço kommt von „Canga“ oder Joch.
Quelle: Aventura do Brasil, caiman.de, (L-ADB)
Zusammenfassung: Peter Rieser / oxente.ch
Im Bundesstaat Pernambuco, im Dorf "Serra Talhada", wurde am 7. Juli 1897 Virgulino Ferreira da Silva geboren. Sein Vater, ein Viehhirte, wiederholte oft: "Sei ein Mann!" Diese Worte gehören zur rauen Realität des Sertão, die alle Väter ihren Söhnen nahebringen. Die unnachgiebige Härte seiner Umgebung prägte Virgulino und trieb ihn mit 22 Jahren in die Banditenlaufbahn.
Der Sertão war seine Heimat, eine wüstenähnliche Region im brasilianischen Inland. Die Trockensteppe besteht aus Kakteen und Dornensträuchern mit häufigem Wassermangel und extremer Hitze. Diese
Strauchsavanne bedeckt den Nordosten Brasiliens. Wenige Großgrundbesitzer betreiben Viehzucht, die übrige Bevölkerung lebt in Armut.
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts führten tiefe Armut und Unterdrückung der Bevölkerung des Sertão zur Bildung von gesetzlosen Banden. Diese Banden überfielen Städte, Fazendas und Armeestützpunkte. Gleichzeitig zeigten sie sich großzügig gegenüber den Armen des Sertão. Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts nannte man diese durch Armut entstandenen Banditen Cangaceiros.
Zahlreiche Legenden und Anekdoten drehen sich um den Cangaço. Lieder und Balladen erzählten von berühmten Cangaceiros. Sie hielten deren Taten und Abenteuer lebendig. Filme würdigten den Cangaço künstlerisch. Das Kino zeigte Figuren wie Lampião und Maria Bonita. Diese Anerkennung erreichte nationale und internationale Dimensionen.
"Olê mulher rendeira, Olê mulher rendá,
Tu me ensina a fazer renda, Que eu te ensino a namorar"
"Hei, Spitzenklöpplerin, Hei, ergib Dich, Frau,
Du bringst mir bei, wie man Spitzen macht,
und ich bring dir bei, wie man liebt"
Bis 1918 hütete Virgulino das Vieh seiner Eltern. Während einer Familienfehde erschoss die Polizei seinen Vater. Dieses tragische Ereignis zwang ihn und seinen Bruder zur Flucht in den Sertão.
Virgulino suchte nach Lösungen und entschied; sich einer dieser umherziehenden Banden anzuschließen. Diese Entscheidung prägte sein weiteres Leben.
"Vom heutigen Tage an werde ich töten, bis ich sterbe" schwor er. Der Ehrenkodex des Sertão sieht die von der Rache zum Morden getriebenen nicht als schuldig an. Vielmehr feiert man ihre Taten
als Heldenmut.
Virgulino Ferreira da Silva wurde zum König des Cangaço. Die Armen liebten ihn und feierten ihn als "Robin Hood des Sertão". Gleichzeitig verurteilten ihn die Reichen als blutigen Dieb.
Seinen Spitznamen Lampião verdankt er dem Mündungsfeuer seiner Waffe. Er modifizierte seine Schrotflinte, sodass sie schnell hintereinander feuerte. Sie erlangte in Kämpfen mit der Polizei
Berühmtheit und leuchtete wie eine Laterne (portugiesisch "Lampião").
Bereits 1920 stieg er zum Anführer einer Gruppe von fünfzig Banditen auf, deren Grausamkeit legendär wurde. Erfüllten die Opfer die Forderungen, gab es eine Feier. Bei Verweigerung folgten Gewalt
und Folter. Schon zu Lebzeiten war Lampião ein Phänomen und überwand sieben Kugeln und den Verlust seines rechten Auges.
Das Pfeifen des Liedes Mulher Rendeira (Spitzenklöpplerin) kündigten seine Raubzüge an.
Der Ehrenkodex des Sertão machte Lampião zum Helden, da er Blutrache an den Mördern seines Vaters nahm. Er lernte das Überleben in der Wildnis von seinem Vater und nahm sich die Indianer zum Vorbild. Seine Cangaceiros nutzten einen gemeinsamen Fußabdruck, um keine Spuren zu hinterlassen. Starb ein Halunke, nahm ein anderer dessen Namen an, um den Mythos der Unsterblichkeit zu wahren. Einflußreiche Beziehungen zu Politikern und Polizisten sicherten Lampião und seinen Gefährten lange Unantastbarkeit.
1926 schloss die brasilianische Regierung einen Vertrag mit Lampião. Sie stellte 120 Cangaceiros Waffen und Uniformen zur Verfügung. Im Gegenzug sollten sie eine sozialistische Soldatenrevolte
niederschlagen.
Ironischerweise führte ausgerechnet die Liebe Lampião in den Untergang. 1929 begegnete er Maria Bonita, "die Schöne". Zuerst war sie seine Geliebte und Ehefrau. Später wurde sie das erste weibliche Mitglied des Verbrecherclans. Weitere Frauen schlossen sich an. Dies führte zu Eifersucht und Zwistigkeiten innerhalb der Gruppe. Schliesslich informierte ein Verräter den Aufenthaltsort der Cangaceiros an die Militärpolizei in Sergipe.
In einer Nacht im Juli 1938 umzingelte ein Trupp der Militärpolizei Lampiãos Cangaço. Lampião, Maria Bonita und neun weitere Bandenmitglieder wurden getötet. Ihre abgetrennten Köpfe konservierte
man in Salzlake und stellte sie bis 1969 im Museum der medizinischen Fakultät der Universität von Salvador da Bahia öffentlich aus.
Der letzte Cangaceiro, ein Überlebender von Lampiãos Bande, wurde 1940 getötet, was die Ära der Cangaceiros beendete.
Lampião, von vielen als "Robin Hood des Sertão" romantisiert, war nichts anderes als ein großer Verbrecher. Dennoch verdankt ihm seine Heimat einen gewissen Bekanntheitsgrad. Auf seinen
Spuren kann man heute noch wandeln. Lampiãos Kugelhagel muss jedoch niemand mehr fürchten.
Der Abenteuerfilm, basierend auf dieser wahren Geschichte, gewann international mehr als 40 Auszeichnungen. Die Titelmelodie "Mulher Rendeira" existiert in Hunderten von Versionen weltweit.
Coverversion von Joan Baez O'Cangaceiro
Coverversion von Paola - Ole O'Cangaceiro
James Last & His Orchestra - O Cangaceiro